Komfortables Kopfsteinpflaster
Erprobung von Ansätzen, um Großkopfsteinpflaster besser befahrbar zu machen
Themen
- Prototyp
- Infrastruktur streckenbezogen
- Neubau Wegeinfrastruktur
Beteiligte Projektpartner
- Gemeinde Eichwalde
- TH Wildau
Projektlaufzeit
Laufzeit: 01/2021 bis 09/2025
Finanzierung
In Kooperation der Fräsdienst-Service E. Feind GmbH und des NUDAFA-Reallabors (im Rahmen der #MobilitätsWerkStadt 2025 des BMFTR)
Anlass, Hintergrund und Vorteile

Unebenes Natursteinpflaster erschwert in Eichwalde und Umgebung das Radfahren, sodass der Fahrkomfort deutlich eingeschränkt ist. Dabei wären viele Nebenstraßen aufgrund ihres geringen Verkehrsaufkommens eigentlich gut für den Radverkehr geeignet und könnten sinnvoll in den Ausbau des Zielnetzes eingebunden werden.
Im Reallabor wurde daher seit 2020 verschiedene Methoden untersucht, um Natursteinpflasterstraßen besser befahrbar zu machen. Neben dem Schleifen der Oberfläche wurden auch alternative Verfahren geprüft, darunter wasserdurchlässige Deckschichten sowie eine vollständige Fahrbahnsanierung mit Betonsteinpflaster.


Basierend auf den Tests des NUDAFA-Reallabors in den Jahren 2020 und 2024 kam im Frühjahr 2025 erstmals eine neue Schleiftechnik im Berliner Priesertweg (Bezirk Tempelhof-Schöneberg) zum Einsatz. Im Juni 2025 folgte ein weiterer Test in der Straße „Am Graben“ in Eichwalde. Dort wurde nicht nur sehr unebenes Großsteinpflaster geschliffen, sondern auch erstmals eine Kombination aus 3D-Vermessung und digitaler Schleifsimulation eingesetzt – unseres Wissens nach weltweit in dieser Form einmalig. Beim Schleifen handelt es sich um s.g. “Precision Grinding” mit einer schnelldrehenden, mit Diamanttrennscheiben bestückten Welle an einer Großfräse der Firma Wirtgen (“Wirtgen Precision Grinder”).


Radfahren in Nebenstraßen überhaupt erst möglich machen
Das Schleifen von Großkopfsteinpflaster zielt in erster Linie darauf ab, den Fahrkomfort für Radfahrende deutlich zu verbessern. Insbesondere in Nebenstraßen kann dadurch eine Verlagerung vom Gehweg auf die Fahrbahn erreicht werden – was Konflikte mit dem Fußverkehr reduziert. In verkehrsarmen Straßen ohne Durchgangsverkehr ist das Fahren auf der Fahrbahn zudem oft sicherer als auf dem Gehweg, wo schlecht einsehbare Einfahrten, Gartentore oder ausfahrende Autos das Unfallrisiko erhöhen.
Erhalt der Versickerungsfähigkeit des Kopfsteinpflasters
Ein wesentlicher Vorteil gegenüber einer Asphaltierung liegt in der Regenwasserbewirtschaftung: Während Asphaltdecken in der Herstellung pro Quadratmeter zunächst günstiger erscheinen, machen begleitende Maßnahmen wie der Einbau von Regenwasserkanälen oder Schächten viele Projekte teuer und aufwendig. Gerade in kleinen Kommunen und in Nebenstraßen wird die Sanierung dann unwirtschaftlich. Beim Schleifen bleibt die natürliche Versickerungsfähigkeit des (unverfugten) Kopfsteinpflasters erhalten, was den Gesamtaufwand reduziert und die Maßnahme gegebenenfalls finanzierbar macht.
Schnelle Umsetzung
Das Abschleifen von kurzen Strecken mit Kopfsteinpflaster kann innerhalb weniger Tage erfolgen. Besonders an Lückenschlüssen im Radverkehrsnetz lässt sich mit dem Schleifen schnell und vergleichsweise kostengünstig ein spürbarer Nutzen erzielen – ohne umfassende Baumaßnahmen oder lange Sperrzeiten.

Denkmalschutz und Lärmbelastung
Kopfsteinpflasterstraßen gelten häufig als ortsbildprägende Elemente und unterliegen deswegen teilweise sogar dem Denkmalschutz. Durch das gezielte Schleifen lässt sich die Funktionalität deutlich verbessern, ohne den historischen Charakter zu verändern. In Wohngebieten erhöht dies die Lebensqualität, in Ortskernen die Aufenthaltsqualität. Letztlich profitiert auch der Kraftfahrzeugverkehr von einer leiseren und besser befahrbaren Oberfläche.
Bedenken hinsichtlich möglicherweise erhöhter Fahrgeschwindigkeiten auf der nun erheblich ebeneneren Oberfläche sind unbegründet: In Wohn- und Nebenstraßen gilt oftmals Tempo 30. Zusätzlich halten die kurzen Abstände zwischen Knotenpunkten das Geschwindigkeitsniveau auch nach der Maßnahme weiterhin niedrig. Dass die Fahrbahnoberfläche durch die Schleifrillen griffiger wird, dürfte der Verkehrssicherheit zusätzlich zuträglich sein.


Umsetzung des Pilotprojekts
Nach eingehender Untersuchung verschiedener Straßenabschnitte wurde der Abschnitt „Am Graben“ gewählt. Der kurze Straßenabschnitt ohne viel Durchgangsverkehr, aber mit intensiver Nutzung als Schulweg, einseitigem Parken eignete sich besonders Pilotstrecke. Aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen aus Testabschnitten in Eichwalde und dem Projekt am Priesertweg in Berlin sollte hier erprobt werden, welches Vorgehen bei sehr unebenem Großsteinpflaster notwendig ist und wo die wirtschaftlichen und technischen Grenzen der Anwendung liegen.
In Kooperation mit der Fräsdienst-Service E. Feind GmbH sollten in Eichwalde erstmals moderne Vermessungs- und Simulationsmethoden angewendet werden, um die Maßnahme für kommunale Planungsprozesse greifbarer zu machen. Die präzise Vermessung ermöglicht Rückschlüsse auf zentrale Aspekte wie den Querschnitt der Straßenoberfläche, das Abflussverhalten von Regenwasser nach der Reprofilierung und die Lokalisation punktuell notwendiger Anhebungen. So lassen sich sowohl die Planungssicherheit als auch die Qualität der baulichen Umsetzung deutlich verbessern.
Vorbereitung
Zu Vorbereitung der Maßnahme wurde die Fahrbahn „Am Graben“ mit Lasertechnik präzise vermessen. Mit der daraus resultierenden 3D-Punktwolke konnten mithilfe digitaler Simulation Schleiftiefen berechnet und ein exaktes Bearbeitungsprofil für die Schleifmaschine erstellt werden. Diese im Zusammenhang mit Natursteinpflaster bislang neuartige Vorgehensweise ermöglichte eine vorausschauende Planung: So ließ sich beispielsweise erkennen, welche Vertiefungen bei gegebener Schleiftiefe bestehen bleiben würden – und daher im Vorfeld manuell angehoben werden mussten.
Parallel dazu wurden verkehrsrechtliche und bauliche Fragestellungen geklärt – etwa, ob die gesamte Fahrbahnbreite oder nur der vom fließenden Verkehr genutzte Bereich bearbeitet werden soll. Als bewusster Schritt zur Kostenoptimierung und besseren Gliederung des Straßenraums blieb der rechte Fahrbahnrand vorerst ungeschliffen, da er sowieso als Parkstreifen genutzt wird.
Lessons Learned: Die präzise Vermessung erleichtert auch die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für das spätere Vergabeverfahren. Es empfiehlt sich daher, Vermessung und Simulation frühzeitig und unabhängig vom eigentlichen Baueingriff zu beauftragen.




Durchführung
Zur Vorbereitung der Schleifarbeiten erfolgte das manuelle Anheben Pflastersteine, um unnötig tiefe Fräsarbeiten zu vermeiden. Vorhandene Gullydeckel wurden gegen fräsbare Blindstopfen ausgetauscht.
Anschließend kam eine speziell entwickelte Schleifmaschine mit eng gesetzten Diamanttrennscheiben zum Einsatz. Durch entsprechende Vermessungstechnologie kann die Maschine das zuvor festgelegte Schleifprofil abfahren und sich Schritt für Schritt daran annähern. Da einzelne Steine über das digital errechnete Profil hinausstehen, erfolgte das Abschleifen durch eine Vielzahl an Überfahrten, wobei das digitale Modell als Referenz genutzt wird. So konnte trotz der stark variierenden Steinlagen eine gleichmäßige Fahrbahn erzeugt werden.


Lessons Learned: Beim Schleifen des Kopfsteinpflasters zeigte sich, dass gegenüber der vorab durchgeführten Simulation bereits eine geringere Schleiftiefe ausreichte, um das angestrebte Ergebnis zu erreichen. Dies begründet sich in der Umwandlung der Punktwolke in eine Fläche mit der durchschnittlichen Oberflächenhöhe und lieferte somit Erkenntnisse zur Verbesserung der Simulationsmethoden. Als Ziel- bzw. Sollvorgabe erleichtern das digitale Oberflächenprofil und die lasergestützte Maschinensteuerung dennoch, und gerade bei sehr unebenen Fahrbahnoberflächen, in erheblichem Maße die Steuerung der Maschine, wodurch ein hochwertiges Ergebnis erzielt werden konnte.
Gegenüber den zuvor getesteten, kleineren und manuell gesteuerten Maschinen bietet dieses Vorgehen, insb. die größere Maschine mit hochwertiger Steuerungstechnik, die Möglichkeit, größere Straßenabschnitte eben und durchgehend zu schleifen.


Nachbereitung
Nach Abschluss der Schleifarbeiten wurden die Gullydeckel wieder eingesetzt und an das neue Straßenniveau angepasst. An Übergängen zu unbearbeiteten Bereichen wurden entstandene Kanten manuell angefast oder nachgeschliffen, sodass der Höhenunterschied maximal 2,5 cm betrug.
Um die neue Gliederung des Straßenraums auch optisch sichtbar zu machen, soll der Übergang zwischen Fahrspur und Parkstreifen zusätzlich mit Leitlinien markiert werden. Der Anfang und das Ende des Abschnitts werden verkehrsrechtlich so eingefasst, dass sich der neue Fahrbahnverlauf intuitiv erschließt (Umsetzung im September 2025).
Lessons Learned: Das gezielte Schleifen des befahrbaren Fahrbahnanteils erzeugt eine klare optische Gliederung – auch ohne zusätzliche Markierung. Dennoch kann eine Markierung helfen, den neu geschaffenen Zustand, speziell die Abgrenzung des Parkstreifens, für alle Verkehrsteilnehmenden verständlicher zu machen.
Unerwartet zeigte sich: Durch die Qualität der neuen Oberfläche wird die Strecke nun verstärkt in beide Richtungen von Radfahrenden genutzt. Anstelle der ursprünglich angedachten Einbahnstraße wird jetzt die Einrichtung einer Einbahnstraße mit Freigabe für den Radverkehr in Gegenrichtung geprüft.


Nächste Schritte
Ziel ist die weitere Beobachtung der Teststrecke hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Nutzerakzeptanz und Unterhaltungsaufwand. Durch die spezielle Verkehrsführung “Am Graben” kann bei gleicher Verkehrsbelastung jeweils ein Abschnitt als Vorher- bzw. als Nachher-Zustand evaluiert werden.
Darüber hinaus sollen auch die bei vergleichbaren Projekten zu erwartenden Kosten sowie mögliche Veränderungen bei Lärmbelastung und gefahrenen Geschwindigkeiten ausgewertet werden. Mittelfristig ist zudem die Erprobung verschiedener Verfugungstechniken geplant, um den Fahrkomfort im mittleren Fahrbahnbereich gezielt weiter zu verbessern.
Alternative Methoden zum Erhöhen des Fahrkomforts
Neben dem innovativen Schleifen der bestehenden Oberfläche stehen weitere Verfahren zur Verfügung, um die Befahrbarkeit von Kopfsteinpflasterstraßen zu verbessern:
- Entnahme, Schleifen und Wiedereinbau des Pflasters
→ In denkmalgeschützten Bereichen bereits angewendet, jedoch sehr kostenintensiv. - Ersatz des Natursteinpflasters durch Betonsteinpflaster
→ Eine pragmatische Lösung, insbesondere für ländliche Räume mit geringer gestalterischer Bindung. - Aufbringen einer wasserdurchlässigen Deckschicht („Steinteppich“) auf das bestehende Pflaster
→ Bisher wenig verbreitet, aber bei geringer Verkehrsbelastung eine technisch und visuell interessante Option. - Einbau einer Kernfahrbahn aus Asphalt bei Erhalt von Seitenstreifen mit Pflaster
→ Ermöglicht Versickerung am Rand und Raum für ruhenden Verkehr, bei gleichzeitiger Verbesserung des Fahrkomforts im Hauptbereich.




Kontakt
Fräsdienst-Service E. Feind GmbH
Presse
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) | 11.04.2025 | Presse - Fahrrad, Infrastruktur, Verkehr, Verkehrssicherheit
Fahrrad-Schüttelpiste am Priesterweg innovativ entschärft
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg| 14.04.2025 | Pressemitteilung
Kopfsteinpflaster im Priesterweg erfolgreich gefräst
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg | 14.04.2025 | Berliner Zeitung
Pilotprojekt in Tempelhof-Schöneberg: Erstmals Pflastersteine zum Radweg umgestaltet
Stefan Oberwallney | 17.04.2025 | RBB 24 - Video
Berliner Bezirk fräst Kopfsteinpflaster für Radfahrer ab
Frank Pawlowski | 11.06.2025 | MAZ-Online
Eichwalde wird Tempo-30-Zone und baut Radwege auf Kopfsteinpflaster
Rad’n’Roll | 17.06.2025 | radioeins rbb
Rüttelfreies Kopfsteinpflaster
Heidrun Vogt | 19.07.2025 | MAZ-Online
Gelungener Testlauf: Abschleifen statt Neubau: Eichwalde rettet sein Kopfsteinpflaster – und könnte damit Schule machen
Sendung Antenne Brandenburg | 25.07.2025 | RBB 24
Eichwalde lässt Kopfsteinpflaster abfräsen und umgeht so eine Asphaltierung