Interkommunales Radverkehrsmanagement
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Begleitforschung der Phase II
Das Forschungsprojekt „NUDAFA - Reallabor für interkommunale Radverkehrsförderung“ hat zum Ziel, die Mobilitätswende in den Gemeinden Zeuthen, Eichwalde und Schulzendorf sowie in den Städten Wildau und Königs Wusterhausen und der Gemeinde Schönefeld mit digitalen Instrumenten für die partizipative Erstellung eines leistungsfähigen, integrierten Radverkehrskonzeptes zu beschleunigen. Hierzu wurde im Rahmen der sozial- und politikwissenschaftlichen Begleitforschung des Fachgebietes Integrierte Verkehrsplanung der TU Berlin in der Phase II eine Politikfeldanalyse und eine Akteurskonstellation zur Ermittlung von Hemmnissen und Potentialen der kommunalen sowie interkommunalen Fahrradförderungsprozesse sowie eine prozessbegleitende Evaluierung des Interkommunalen Radverkehrsmanagements durchgeführt.
Schwerpunkte der Begleitforschung:
Akteurskonstellation
Die Erstellung einer Akteurskonstellation gibt Aufschluss über die an der Radverkehrsförderung beteiligten aktiven Akteure, ihre Position bzw. Funktion im Feld (Verwaltung und Verwaltungsebene, Politik, Zivilgesellschaft) sowie die Arenen, in denen Radverkehrsförderung (politische Gremien, zivilgesellschaftliche Vereinigungen, verwaltungsbezogene bzw. verwaltungsnahe Arbeitskreise) verhandelt wird.
Zentrale Erkenntnis ist, dass Radverkehrsförderung auf unterschiedlichen administrativen Ebenen und in verschiedenen Arenen stattfindet und wird von diversen Akteuren sowie Akteursgruppen vorangetrieben wird.
Diese sind auf den folgenden Ebenen angesiedelt und haben unterschiedliche Aufgaben und Ziele:
- Kommunale verwaltungspolitische Gremien (Verwaltungsabteilungen, Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung, politische Fachausschüsse):
- Aufgabe: administrative, finanzielle, planerisch sowie partizipative Absicherung zur Umsetzung radverkehrsfördernder vor allem infrastrukturbezogener Maßnahmen
- Interkommunale verwaltungspolitische Gremien (Regionalausschuss) und Arbeitskreise (Dialogforum):
- Schaffung einer gemeinsamen Perspektive auf die Region
- Festlegung und Potentiale interkommunaler Ziele und gemeinsamer Projekte & Erhöhung der regionalen Steuerungsfähigkeit (administrativ), Wahrung der kommunalen Autonomie (politisch)
- Transkommunale hybride Arbeitskreise (AGFK, AG Rad LDS, Radnetz)
- Lokale Verwaltungs-/Planungs-Traditionen integrieren (durch Austausch im Planungshandeln und Projekten, Einladung von Experten, Beratung)
- Standardisierung, fachliche Unterstützung, Orientierung und Ideen geben und austauschen
Insgesamt zeigt sich, dass die interkommunale Handlungskapazität nicht einzelnen Akteuren, sondern des Akteursnetzwerkes zuzuschreiben ist. Denn erst im Netzwerk eröffnen sich Möglichkeiten, insbesondere in ebenen- und organisationsübergreifendem Zusammenwirken, die eine erfolgreiche Radverkehrsentwicklung für die gesamte Projektregion zur Folge hat.
Umgang mit Hemmnissen und Potentialen – soziale Praktiken in der Radverkehrsförderung in Verwaltungen kleiner Kommunen
Die wissenschaftliche Literatur hat bereits unterschiedliche Hemmnisse in der Radverkehrsförderung innerhalb von Verwaltungen dargestellt. Hemmnisse treten dabei in Strukturen und Prozessen auf und hängen oft an unklaren, nicht formulierten und unterschiedlichen Zielverständnissen, auch mangelt es an abteilungsübergreifendem strategischem Vorgehen (Wang 2018). Auch die Politik positioniert sich zu selten pro Radverkehr. Prioritäten werden woanders gesetzt, womit weniger Ressourcen dem Radverkehr zu Verfügung gestellt wird (Wang 2018, McAndrews et al. 2018). Daher mangelt es häufig an den wichtigen Ressourcen Geld, Personal, Zeit, aber auch Weiterbildung und Qualifizierung kommt oft zu kurz (Wang 2018, Gaffron 2002, Albers et al. 2022, Stein et al. 2022). Die Prozesse gestalten sich dann oft sporadisch und nicht unter Einbezug eigentlich vorhandener Konzepte (Albers et al. 2022). Andere Zuständigkeiten und Prioritätensetzungen verhindern reibungslose Abläufe, sind abstimmungsintensiv und langwierig (Albers et al. 2022, Stein et al. 2022). Die räumlichen Strukturen sind einerseits historisch gewachsen: Es gibt kaum Platz, der Raum ist durchschnitten von Barrieren, wie Bahngleisen und Autobahnen, was die Entwicklung flächendeckender Infrastrukturen erschwert und kostenintensiv gestaltet. Andererseits ist mit zum Teil starken Entwicklungsdynamiken umzugehen. Gleichzeitig wird mehr Wissen über Mobilitätsbedarfe und Beteiligungsmöglichkeiten gebraucht, auch um private Stakeholder besser abholen zu können (Wang 2018). Insgesamt gibt es viel gesellschaftlichen Druck zur Transformation und Forderung von Entwicklung.
Da bereits viele Hemmnisse beschrieben sind, haben wir uns auf den tatsächlichen Umgang konzentriert. Dazu haben wir Interviews geführt, die wir dann in der qualitativen Auswertung in die Beschreibung von Umgangspraktiken überführt haben, die wir im Folgenden vorstellen:
Praktik Durchsetzung/ Leadership: Da Radverkehr noch immer eine freiwillige kommunale Aufgabe ist, muss er aktiv in Verwaltungsprozesse integriert werden. Dies geschieht durch vor kommunikative Praktiken: Nachfragen und nachbohren, ein Hinterhersein. Es geht um Überzeugungsarbeit, fachliche Beratung und Formulierung von Empfehlungen für die Lokalpolitik sowie wiederholtes Einbringen von Anträgen. Die Initiative ist oft selbst zu ergreifen und in vielen Fällen, die Verantwortung für das weitere Vorankommen selbst zu übernehmen. Interkommunal bedeutet das lange Vorbereitungszeiten und die Anpassung an je unterschiedliche kommunalpolitische sowie verwaltungsbezogene Abstimmungsprozesse.
Die Praktik des Anpassens hat zwei unterschiedliche Dimensionen:
Radverkehr ist üblicherweise rechtlichen Normen unterworfen und muss gleichzeitig an lokale Gegebenheiten angepasst werden. Eine Anpassungspraxis betrifft die Anpassung an Nutzungsgewohnheiten der Radfahrenden von Radinfrastrukturen vor Ort: Die Menschen nutzen die neue Radinfrastruktur vielleicht anders als vorgesehen, so dass erfahrungsbasiert entsprechende Anpassungen an die Nutzung stattfinden können. Eine weitere Praxis ist die Anpassung an den politischen Willen, um radverkehrsbezogene Maßnahmen durch Abstimmungsprozesse zu bringen: Daher werden große und teure Maßnahmen in kleinere Projekte geteilt oder mehrere Detailmaßnahmen zu größeren Paketen gebündelt. Daraus entwickeln sich je kommunale Herangehensweisen, die im interkommunalen Kontext wiederum abgestimmt und auch legitimiert werden müssen.
Wie in der Akteurskonstellation bereits dargelegt, funktioniert Radverkehrsförderung vor allem durch Netzwerkbildung, die in der Praktik der Opportunität ihren Niederschlag findet. Auch in der kommunalen Verwaltung werden individuelle, informelle und professionelle Netzwerke jenseits hierarchischer Strukturen gebildet, Aufgaben verteilt und Gelegenheiten zu Planung und Umsetzung geschaffen. So werden Handlungsspielräume erweitert und Akteure werden sensibilisiert für Radverkehrsbelange. Erfahrungen werden ausgetauscht und so kommt es mitunter zu Beschleunigungen und Vereinfachung von Vorgängen.
Die Praxis des Verlagerns und Externalisierens verfolgt zwei Ziele:
Einerseits werden Kommunikationsstrukturen und Austauschmöglichkeiten über die kommunale Verwaltung hinaus geschaffen (wie AG Rad, AGFK, Dialogforum, KNF). Andererseits werden verwaltungsexterne Ressourcen zur Delegation von Aufgaben genutzt. Kommunale Verwaltungen werden so zum einen entlastet, aber auch in ihren Planungstätigkeiten bestätigt und unterstützt. Zum anderen wird so interkommunale Zusammenarbeit jenseits politischer Entscheidungen erst ermöglicht, wie die Erstellung grenzüberschreitender Bebauungspläne.
Die letzte identifizierte Praktik ist die der Umgehung. Diese kann sich hemmend und beschleunigend auswirken: hemmend durch die restriktive Orientierung an Regelwerken. Gleichzeitig aber gibt es eine zeitliche Komponente, die eine abwartende Haltung offenbart, um Konflikte mit andere Fachbereichen oder gesellschaftlichen Gruppen zu umgehen. Beschleunigend kann eine Umgehung eigentlicher Zuständigkeiten wirken durch Übernahme von Aufgaben, sprich der Baulastträgerschaft und allen damit einhergehenden Aufgaben. Auch Definitionsarbeit kann etwa Prioritätenlisten und Zuständigkeiten umgehen, was jedoch nicht immer erfolgreich ist. Die Folge ist ein Fokus auf die Entwicklung der eigenen Kommune und eine Vernachlässigung der Ränder und Übergänge in andere Kommunen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Herausforderungen und die Rahmenbedingungen Kommunen unter Stress setzen. Um diesem zu begegnen, nehmen die Kommunen in der Projektregion oft selbst das Zepter in die Hand, was häufig durch engagierte Einzelpersonen gemacht wird. Eine Übernahme von Verantwortung, aber nicht nur für die Initiierung von Vorgängen, sondern es müssen Ideen entwickelt und Entwicklungen ausgeformt werden. Durch die Schaffung von temporären Strukturen, wie das Nudafa Reallabor, die Task Force im Landkreis oder andere Projekteinheiten zeigen Positionierung und Bekenntnis. Dies kann auf andere Kommunen wirken und Mitnahmeeffekte erzeugen. Der Radverkehr ist ein Handlungsfeld, das von den Verwaltungsakteuren als Change Agents selbst entwickelt und gestaltet werden muss.
Prozessbegleitende Evaluation des interkommunalen Radverkehrsmanagements
Das Interkommunale Radverkehrsmanagement (IRVM) hat das Ziel zusätzliche Ressourcen zu schaffen, die zur Umsetzung der Zukunftsaufgabe Mobilitätswende notwendig sind. Ein Fokus liegt dabei auf der Vernetzung der Verwaltungen der Projektkommunen.
Das IRVM hat die Aufgabe…
… alle Akteure zu koordinieren, die mit dem Thema Radverkehr zu tun haben, also die Bevölkerung als Nutzende und Betroffene, die Politik als Entscheidende, die Verwaltung als Umsetzende, Büros und Privatwirtschaft als Dienstleistungsnehmende
… vor allem aber Kommunen in der Behebung kommunaler Hemmnisse zu unterstützen
… als Sprachrohr für die gemeinsamen Interessen der Region zu dienen
… und die Erhebung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie weitere Aktivitäten des Reallabors zu unterstützen
Zentrale Fragestellungen sind:
- Wie kann die interkommunale Zusammenarbeit auf der Ebene der Fachverwaltungen optimiert werden?
- Inwieweit sind die entwickelten Instrumente auf andere Kommunen übertragbar?
Zur Klärung der ersten Frage (die Frage zwei beschäftigt uns noch weitere zwei Jahre) wird das IRVM in seinem Werdegang beschrieben. Daraus wird deutlich, wie die Aufgabe der interkommunalen Unterstützung sich mit der Zeit entwickelt und weiterentwickelt hat:
- Phase: Einarbeitung in die Region und Vernetzung
- Phase: Profilbildung durch Projektarbeit
- Phase: Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses
Phase 1: „Einarbeitung in die Region und Vernetzung“ (0-12 Monate)
» Eigenheiten der Kommunen verstehen: Zur Einarbeitung des IRVMs in die Projektregion wurden Kommunenbesuche durchgeführt, in denen aktuelle Entwicklungsschwerpunkte, radverkehrsbezogene Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe ermittelt. Festgestellt werden konnten „kommunale Eigenheiten“ auf siedlungsräumlicher, verwaltungskultureller sowie politischer Ebene, die für die spätere Zusammenarbeit Relevanz entfalten. Es zeigt sich, dass die Kommunen sich in der Art der Einbindung der Zivilbevölkerung, dem Stellenwert des Radverkehrs (im Vergleich zu den Pflichtaufgaben) und der Arbeitsweise der Verwaltung teilweise deutlich unterscheiden. Ebenso variieren die vorhandenen Kapazitäten und die Integration der Radverkehrsförderung in die Verwaltungs- und Planungsprozesse. Das Verständnis von „Eigenheiten“ half dem IRVM in den folgenden Phasen, die richtigen Ansprechpersonen und ein Interesse an gemeinsamen Projekten zu identifizieren.
» Präsenz in bestehenden Netzwerken: Neben bereits bestehenden formalen Kooperationsbeziehungen auf anderen Verwaltungsgebieten (gemeinsames Einwohnermeldeamt und gemeinsame Vergabestelle), gibt es mit Vertreter*innen aus den Gemeinden Eichwalde, Zeuthen, Schulzendorf und Wildau bestehenden Regionalausschuss in dem über kommunenübergreifende Herausforderungen und Potentiale zu beraten und über Projekte mit regionaler Tragweite abgestimmt wird. Auch die Zivilgesellschaft ist kommunen- sowie landkreisübergreifend organisiert und sorgt für Erfahrungs- und Informationsaustausch jenseits administrativer Grenzen. In die bestehenden Netzwerke hat sich das IRVM integriert, da wenig Interesse am Aufbau weiterer Formate bestand. So konnten Kooperationen angebahnt sowie konkrete interkommunale Projekte gemeinsam konzipiert und politisch beschlossen werden.
» Gemeinsame Problemlagen und Projektideen: Enge siedlungsräumliche Verflechtungen, eine ähnliche Größe der Kommunen sowie ein ähnlicher Ausbaustand der Radverkehrsinfrastrukturen führt zu einer gemeinsamen Problemwahrnehmung. Gleichzeitig lässt sich zwischen den Partnerkommunen auch eine Heterogenität feststellen, die sich auch in der Intensität und dem Interesse an der Zusammenarbeit widerspiegeln. Neben den bereits bestehenden Formen interkommunaler Kooperationen, spielen die räumliche Nähe zum Standort des IRVM, persönliche Kontakte in die Verwaltung sowie die Größe der jeweiligen Verwaltung für die Integration in laufende Prozesse und Projekte eine wichtige Rolle.
Phase 2: „Profilbildung durch Projektarbeit“ (etwa ab 9 Monaten)
» Profilbildung durch Kenntnis des Untersuchungsraums und Übernahme von Tätigkeiten: Die Kenntnisse der lokalen Begebenheiten, Problemlagen und Verwaltungsstrukturen waren für die Durchführung konkreter Projekte förderlich. Das IRVM hat aus dieser Situation heraus Kommunen in konkreten Projekten zusammengeführt, die Projektkoordination übernommen sowie alle Kommunen betreffende Arbeitsschritte durchgeführt, wie bspw. die Beantragung von Fördermitteln. Das IRVM konnte so Verwaltungen entlasten und Arbeitsschritte bündeln. Das IRVM hat sich wichtiges interkommunales Praxiswissen angeeignet, was mit den Nachbarkommunen geteilt werden konnte – teilweise inklusive der erarbeiteten Unterlagen (Förderanträge, Vergabeunterlagen, Untersuchungen usw.). Darüber hinaus kam es zu Wissensaustausch bzw. -transfer zu Kommunen außerhalb des Untersuchungsraums. Insgesamt konnte sich das IRVM als Ansprechpartner für die Partnerkommunen so gut etablieren, dass zum Teil an Belastungsgrenzen erreicht wurden.
» Umgang mit administrativen Herausforderungen und interkommunalen Dynamiken: Je mehr involvierte Kommunen, um so komplexer gestalten sich die administrativen Herausforderungen. Je mehr eingebundene Abteilungen, umso schwerer gestaltet sich der Zugang zu Informationen, da die intern laufenden Vorgänge nicht immer klar nachvollziehbar sind oder nur sporadisch Auskunft gegeben bzw. um Rücksprache gebeten wird. Die Herstellung einer kontinuierlichen Kommunikation ist daher für das IRVM herausfordernd. Einhergehend mit den herausgestellten kommunalen Besonderheiten müssen unterschiedliche Arbeitsweisen und Auffassungen der Kommunen moderiert und in die laufenden Prozesse integriert werden. Die Klärung von Differenzen erfolgt zum Teil auf der Ebene der Verwaltungsspitzen, insbesondere bei verwaltungsrechtlichen Vorbehalten, finanziellen oder haftungsrechtlichen Aspekte.
» Aufbau operativen Wissens und strategischer Erfahrung: Im Sinne einer Professionalisierung ist damit der Erwerb von Wissen zur formal-administrativen Durchführung von interkommunalen Projekten und Maßnahmen – durch Erstellung von Unterlagen, Informationsmaterial, Planungsgrundlagen und ihre Einbettung in kommunale Verwaltungsvorgänge – die wesentliche Aufgabe in der Phase der Profilbildung. Neben der Übernahme von eher projekt- und praxisbezogenen Tätigkeiten übernimmt das IRVM eine teils vermittelnde, teils führende Rolle, um die kommunalen Spezifika aufzunehmen und in die Umsetzung der Maßnahmen zu integrieren. Das IRVM positioniert sich auf einer interkommunalen, strategischen Ebene, die vorrangig neue Kommunikationsstrukturen und Kooperationsmöglichkeiten auslotet sowie an einer gemeinsamen Perspektive für die Radverkehrsförderung arbeitet. Neben der Schaffung eines konkreten Mehrwertes für die Projektregion durch die Realisierung der Maßnahmen konnten in der zweiten Phase so vermehrt Wissen und Kompetenzen über Kooperation in interkommunalen Zusammenhängen gesammelt und ausgebaut werden.
Phase 3: „Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses“ (ab 18 Monaten)
» Aktives Einbringen und Strukturieren von Projekten: Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus den vorangehenden Phasen münden in ein neues Selbstverständnis. Ausgehend von den gesammelten Erfahrungen übernimmt das IRVM zunehmend eine aktiv steuernde und gestaltende Rolle. So hat sich gezeigt, dass die Neuartigkeit und Komplexität der Verfahren bei einigen Verwaltungen zu Unsicherheiten führen, insbesondere wenn das Ziel oder bestimmte Unterlagen von Grund auf gemeinsam erarbeitet werden mussten. Um effiziente und als erfolgreiche wahrgenommene Prozesse sicherzustellen, passte das IRVM seine Strategie an. Anstatt der ursprünglichen anbietenden und weitgehend ergebnisoffenen Herangehensweise ging das IRVM dazu über, Maßnahmen und Prozesse vorzustrukturieren. Diese werden bilateral mit den Beteiligten abgestimmt.
» Gezielte Bereitstellung finanzieller Mittel für kleinere, nicht investive Maßnahmen: Eine deutliche Beschleunigung von Verfahren kann durch die Nutzung eigener dem IRVM verfügbarer Finanzmittel des NUDAFA-Reallabors bewirkt werden. Dadurch entfällt die gesonderte Sicherstellung für Mittel in den Haushalten der jeweiligen Kommunen. Ebenfalls werden Vergabeerleichterungen im Rahmen des Reallabors in Anspruch genommen. Die so sichtbaren Erfolge steigern das Interesse der einbezogenen Kommunen, da der Mehrwert des IRVM dann den Mehraufwand gegenüber „konventionellen“ Kooperationen und auch der eigenständigen Durchführung in einer einzelnen Kommune überwiegt.
» IRVM als Gemeinschaftsaufgabe mit einem breiten Aufgabenspektrum: Mit fortschreitender Umsetzung von Projekten wird deutlich, dass es für Projekterfolge notwendig ist, mit dem IRVM für alle Kommunen „gleichwertige“ Lösungen zu erarbeiten, welche sich zwischen kommunalen Ansprüchen und interkommunalen Bedarfen die Waage halten und dabei die kommunale Autonomie nicht untergraben. Dies erfordert ein breites Spektrum an Kompetenzen, um die Kooperationsprojekte fachlich zu begleiten und zu steuern, um Unsicherheiten und Ambivalenzen aufzufangen, Allianzen und transparente Entscheidungen herbeizuführen und konfligierende Interessen auszugleichen (Seuberlich 2012, 107; Küpper 2012, 90). Je nach Sachlage war die fachliche Expertise, der Kontakt zu der Sachbearbeitungsebene, die Bereitstellung von Mitteln oder auch das Überzeugen der Entscheidungsebenen notwendig. Daher stellte sich die Arbeit des IRVM dabei zunehmend als Gemeinschaftsaufgabe dar, die nicht nur von der dem IRVM zugeordneten Stelle, sondern auch von der Verbundkoordination sowie dem Bürgermeister von Eichwalde übernommen wurde. Durch die Projekte können dabei Vertrauensverhältnisse zu Verwaltungsakteuren der unterschiedlichen Ebenen aufgebaut werden. Durch die große Anzahl der an der Umsetzung beteiligten Projekte (Verwaltungsspitzen, Bauverwaltungen, Finanzverwaltungen mehrerer Kommunen) wurde mit der Zeit deutlich, dass die Handlungskapazität der Radverkehrsförderung nicht allein bei den Akteuren des IRVM liegt, sondern einer ebenen- und organisationsübergreifenden Akteurskonstellation zuzuschreiben ist, da sich erst in Netzwerken Möglichkeiten eröffnen (Hangartner 2019, S. 309f.). Dem IRVM kommt daher die Aufgabe zu, das Netzwerk zu unterstützen, zu moderieren oder auch gezielt initiierend zu handeln.
Begleitforschung der Phase III
Seit Juli 2024 befindet sich das NUDAFA-Projekt in der Phase III.
Die Erprobung des Interkommunalen Radverkehrsmanagements hat den Bedarf einer dauerhaften Einrichtung der Radverkehrsförderung auf (inter-)kommunaler Ebene im Rahmen einer/oder mehrerer Personalstellen bestätigt. Die Vorteile einer Institutionalisierung liegen dabei nicht nur in der Bündelung von Ressourcen, Kompetenzen und Wissen. Bei der Umsetzung von Maßnahmen würden auch projektbezogene Verhandlungen hinfällig, etwa zu Kooperationsvereinbarungen, und die Interessen mehrerer Kommunen könnten gegenüber dem Landkreis oder dem Land in ihrem räumlichen Zusammenhang effektiver vertreten werden. Jedoch gibt es dafür kaum institutionell angelegte Möglichkeiten, erst recht nicht für die fortwährende Zusammenarbeit über den kommunikativen Austausch bzw. projektbezogene Kooperationen hinaus. Aktuell gibt das Reallabor zwar einen temporären und vollständig finanzierten Rahmen vor. Für eine dauerhaft angelegte (und nicht BMBF-finanzierte) Fortführung des IRVM bedarf es einer politischen Grundsatzentscheidung, der Finanzierung durch die beteiligten Kommunen sowie rechtlicher Grundlagen.
Die institutionelle Verstetigung der Stelle des IRVM in der Projektregion ist daher das Ziel dieses Arbeitspakets. Welche Kommunen daran teilnehmen, wo das IRVM angegliedert ist und auf welcher rechtlichen Grundlage dies erfolgt, ist im Verlauf der Phase III zu klären. Folgende Aspekte sind zu berücksichtigen: Optionen und Formate der verwaltungsinternen und -externen Zusammenarbeit, Organisationsstruktur, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, politische und rechtliche Rahmenbedingungen, Beteiligungsprozesse und -methoden, Ansiedlung der Stelle, Stellen-/Aufgabenbeschreibung, öffentlich-rechtlichen Vereinbarung als Grundlage, Finanzierung usw. Ein wesentlicher Baustein der Implementierung ist dabei der Einbezug einer qualifizierten Beratung sowie die Durchführung eines professionell moderierten Strategie-Workshops mit den relevanten Verwaltungsakteuren. Ziel dieses Workshops ist es, Strategien zur Verbesserung interkommunalen Kooperation (insb. in der Radverkehrsförderung) zu erarbeiten und zu vereinbaren. Die Erkenntnisse der Begleitforschung sind dafür die Grundlage, die durch weitere praxisnahe Ergebnisse aus NUDAFA ergänzt werden.
Zusätzlich erfolgt die Fortführung der Evaluation des IRVM hinsichtlich Potenzialen und Hemmnissen der Radverkehrsförderung durch regelmäßige, problemzentrierte Interviews auf der interkommunalen Ebene sowie durch die fortgeführte Allgemeine Prozessevaluation. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Auswertung der Anwendbarkeit des Radverkehrsatlas als Instrument in der Untersuchungsregion.
Publikationen
Samland, Kollert, und Ahrend (2023):Erprobung des interkommunalen Radverkehrsmanagements (IRVM) im NUDAFA-Reallabor für interkommunale Radverkehrsförderung – Chancen und Grenzen der Verstetigung, in “Journal für Mobilität und Verkehr”, Ausgabe 19 (2023)